((Sollte dies das falsche Forum sein - bitte dorthin verschieben, wo es hingehört. Jeder darf gern mitschreiben. 🙂 ))
-> Lesezeit : 6-8 Minuten
Filrean Avithoul, einer von nur zwei Drow an Bord des Luftschiffs, war vermutlich der empfindlichere Geist der beiden. Seine Photophobie war aufgrund seiner hellgrauen Iris deutlich ausgeprägter, sodass gewöhnliche Oberflächenbewohner mit ihrem üblichen Tag-Nacht-Rhythmus ihm meist problemlos aus dem Weg gehen konnten. Grundsätzlich bekam man den Nekromanten tagsüber nur zu Gesicht, wenn dichte Bewölkung herrschte – oder wenn etwas so Wichtiges geschah, dass man ihn dafür unter Deck hervorzitieren musste.
Ansonsten verbrachte er die lichtdurchfluteten Stunden in seiner Ruhephase: eingeschlossen, geschützt durch ausreichend magische Sicherheitsmaßnahmen (wie etwa Alarmzauber) und andere, weniger erwähnenswerte – dafür umso übertriebener inszenierte – Schutztricks. Alles nur, damit er sich auch unter vermeintlichen Feinden sicher fühlen konnte.
Gesellig konnte man ihn ohnehin kaum nennen: Filrean begann selten ein Gespräch von sich aus, doch er neigte dazu, interessanten Themen aufrichtig zu lauschen. Ob die Tieflingsdame von Schauspielkunst schwärmte, die hohe Arkanistin sich über bunte Wolkenphänomene ausließ, seine "drow'sche" Begleiterin von der Oberfläche fasziniert war, die Kossuth-Priesterin das Ausbrennen von Wunden erläuterte, die rothaarige Magierin ihm die Landschaft beschrieb oder sich Elf und Mensch in Geheimnissen ergingen – Filrean hörte zu.
Trotz seiner eindringlichen, einschüchternden und auf Distanz bedachten Ausstrahlung machte er es den anderen letztlich nicht schwer, ihn zu tolerieren, zu ignorieren oder zu meiden, wenn nötig. Wer sich allerdings die Mühe machte, ihn in den tiefsten Nachtstunden an Deck aufzusuchen, konnte sich mit ihm durchaus zivilisiert unterhalten – denn er schätzte Höflichkeit, Anstand und vor allem arkanes Fachgesimpel. Wer nachts also nicht schlafen konnte, fand in Filrean womöglich einen durchaus interessanten Gesprächspartner.
Ganz anders gestaltete sich seine nächtliche Freizeitbeschäftigung: Er „überfiel“ andere Magier rhetorisch, um von ihrem Wissen zu profitieren, indem er wilde Thesen darüber aufstellte, wie genau das Luftschiff eigentlich in der Luft bleiben konnte.
Da waren also …
seine Überlegungen, dass man "Levitation" als Einzelthese nicht skalierbar machen konnte und das Luftschiff mit Sicherheit schätzungsweise im oberen vierstelligen Bereich an Tonnage lag – selbst Massen-Levitation würde das übersteigen. So erfand er drei Theorien, deren Entwicklung allein für ein hohes Maß an Freude sorgte (sofern man Zeit und Fantasie übrig hatte).
So konnte sich Filrean gut vorstellen, dass die erste Theorie mit einem permanenten arkanen Auftrieb via Gravitationstausch (also Gravomantie!) zu tun haben musste. Eine Konstruktion basierend auf der These des siebten arkanen Kalkulationsgrades "Schwerkraft umkehren" – allerdings nicht als explosiver Effekt, sondern flächendeckend und kontrolliert durch die elektrisierenden Kristalle, die zuvor erwähnt wurden. Die Gravitation wird also lokal invertiert. Der Effekt: Masse fällt nach oben, bleibt aber stabil durch die elektrisierende Gegenspannung.
Fazit: Durch den Gravitationstransfer bleibt das Schiff oben – solange niemand niest.
Die zweite Theorie beschäftigte sich mit den uralten Mythallar, was gut mit der Überlegung zum Fall von Nesseril einherging und daher als Geheimnis genau deshalb so sehr gehütet werden musste: In Analogie zu den alten netherischen Mythallaren entsteht eine feldhafte Ausbreitung von differenziell gespeicherter Magie, allerdings nicht als aktiver Zaubereffekt, sondern als ruhende arkanophile Potenz. Eine energetische Trägheitsaufhebung über einen Mythallar konnte bedeuten, dass jener in ein Runennetz aus den Kristallen eingebunden ist und somit eine Form des U.E.F. (Unsichtbares Energie-Feld) erzeugt – gespeist durch eine externe Elementarbindung, vielleicht aus der Elementarebene der Luft. Es könnte aber auch ein gekoppelter Beschwörungskreis sein, der Energie aus einer Kreatur der Ebene des Feuers zieht, die dauerhaft derartige Energie generiert.
Fazit: Das Schiff wird nicht getragen, sondern von innen heraus von der Schwere entkoppelt. Es "will" gar nicht fallen – wie eine Idee, die sich weigert, vergessen zu werden.
Ganz trivial blieb natürlich auch die Möglichkeit der These: "Winde kontrollieren", "Windstoß" und Vergleichbares könnten ein künstliches Luftkissen erzeugen, sodass integrierte Strukturen lokal verdichtete Luftflächen bildeten, die als Widerlager dienlich sein konnten.
Profan? Ja. Funktional? Vielleicht.
Fazit: Im Zweifel fliegt es, weil es von genug Wind-Thesen umkreist wird, dass selbst Mystra seufzen musste und entschied: "Bwael – flieg halt."
Die ergänzende Hypothese bestand aus einem Ladungsgitter mit gesplitteter Levitations-These, die sich – aufgrund der vorangegangenen Beschreibungen der Kristallenergie – als absolut sinnvoll (aber weniger witzig) erschloss. Die Schiffsrümpfe besaßen vermutlich ein arkanes Gitter, das nicht nur vor Elektrizität und Überhitzung schützte, sondern auch tausende kleiner Energiefelder beherbergte, auf denen wie in einem Bienenstock hexagonale Zauberplätze übereinandergeschichtet waren.
Der Energiebedarf? Brutal. Aber mit den gebundenen Kristallen … durchaus machbar.
Filrean war also auf dem besten Wege, den hiesigen Magiern dort (die das Geheimnis nur anteilig preisgeben wollten) ordentlich auf die Nerven zu gehen, um mehr Wissen für sich zu erlangen. Nicht, dass er es zukünftig in irgendeiner Form gebrauchen konnte (Luftschiffe im Unterreich hielt er für nicht zielführend), aber wer wusste schon, wohin ihn die Ideen bringen konnten?
Ohne all die Geheimnistuerei würde das Luftschiff fallen.
Mit ihr … schwebte es auf purer Theorie. Und der Magier liebte es.
Dass er bevorzugt die soziale Interaktionsmöglichkeit mit Magiern suchte, die zusätzlich zu den potenziellen Flugmechanismen auch noch Ideen auf Lager hatten, die sich mit der Verteidigung des Schiffes beschäftigten, kam also nicht von ungefähr. Der Wunsch, nicht abzustürzen (niemand wusste sicher, wie das Ding fliegt!) oder ermeuchelt zu werden, war in ihm so fest verankert wie der Respekt vor Spinnen.
Apropos Spinnen … auf der gewaltigen Luftschiffroute hatte er einen Spinnensumpf in Calimshan entdecken können – ein Gebiet, das für seine dichten Nebel, sumpfige Landschaft und die Vielzahl an Spinnenarten bekannt war. Nun, solange es keine fliegenden Arten gab oder solche, die einen Tribok benutzten, waren sie vermutlich sicher. Trotzdem war das ein Grund, diese Erkenntnis im Nebensatz bei Vesrae fallen zu lassen. Sie musste schließlich wissen, was sie erwarten konnte. Abgeschossen zu werden … mit Spinnen. Welch Aussichten!
Diese Route bot also einen faszinierenden Querschnitt durch die vielfältigen Landschaften und Kulturen des südlichen Faerûn – von den magischen Höhen Halruaas über die historischen Städte Lapaliiyas bis hin zu den exotischen Küsten Calimshans. Jede Etappe schien reich an Geschichte und Abenteuern – von denen er tagsüber nicht viel mitbekam.
Das machte nichts. Dafür war er nachts wach und tat eben Magierdinge – ob nun überwacht von der Teu‘ oder in Begleitung der rothaarigen Magierin, irgendwie konnte er sich immer leise beschäftigen und nützlich machen.
Sofern man sich traute, ihn zu fragen.
Zeitnah gedachte er, all seine arkanen Verteidigungsoptionen auch noch mit den anderen durchzugehen, aber dazu musste er sich erst sicher sein, dass niemand glaubte, er würde sie in Untote verwandeln und einfach auf fremde Schiffe schleudern.
Ihm fehlte ein Tribok.