(Originalposting vom 28.11.2023)
Nachdenklich lag sie auf dem Bett und sortierte Ihre Gedanken. Sie musste nun wirklich vorsichtig sein mit ihren weiteren Schritten. Doch die letzten Tage hatten sich als sehr interessant und informativ erwiesen.
Tenszar Yril’Lysaen. Mäzen des Tempels, Herrscher der Händler und im Moment die womöglich einflussreichste Person in diesem doch sehr.. liberalen Handelsposten, in dem die Macht des Goldes die Macht des Glaubens von ihrem angestammten Spitzenplatz verdrängt hatte. Aber das war vielleicht auch zunächst nicht ganz verkehrt, denn, das musste sie sich eingestehen, dieser Handelsposten funktionierte eben gerade deshalb, 'weil' er so liberal war. Sie musste es vorsichtig und behutsam angehen. Es gab Orte, da war Gewalt und Angst der rechte Weg, doch an diesem Ort hier musste der Glaube mit sanfter, zarter Hand zurück in die Köpfe und Herzen der Illythiiri geführt werden. Mit sanfter Spinnenhand. So wie eine Araneae ihr Netz mit der höchsten Geduld webt und es mit höchster Frustrationstoleranz immer wieder erneuert, bis schließlich alle sich wieder darin verfangen. Aber sie musste dabei wirklich wachsam bleiben. Langsam ging ihr Blick nach rechts zur Seite.
Tenszar Yril’Lysaen. Der Auslöser dieser Katastrophe? Es war sein Collier gewesen, welches den Namen 'Malyks Geschenk' trug. Er hatte dieses Collier Shry geschenkt. Doch dann war es plötzlich irgendwie in den Besitz der früheren Yathallar Alezêa gelangt und deren Versuch, dieses Collier zu zerstören, hatte sie selbst und zwei andere Priesterinnen das Leben gekostet. Danach öffnete sich der Boden und die Larven kamen heraus, brachten der Stadt den Untergang. Ob es zwischen den Larven und dem Zerstörungsversuch des Colliers eine tatsächliche Verbindung gab, war Mayiira'myrace noch nicht ganz klar, es könnte sich auch schlicht um einen unglücklichen Zufall handeln und xas, Zufälle existieren durchaus, das ist das Wesen des Chaos, welches das Multiversum durchzieht, es muss nicht immer unbedingt ein großer Plan hinter jedem Ereignis stehen.
Dennoch sollte man gerade in einer Stadt der Dunkelelfen stets die Frage stellen, ob es nicht doch einen gab. Und dazu ist es wichtig zu überlegen, wer einen Vorteil von einer Entwicklung hatte. Gewiss war eher unwahrscheinlich, dass Tenszar die Zerstörung der Stadt als nützlichen Teil seiner Pläne gesehen hätte, egal was es dabei für ihn zu gewinnen gegeben hätte. Doch was hatte er damit bezweckt, dieses Collier Shry zu geben? Dunkelelfen machen keine Geschenke. Und Händler erst Recht nicht. War es ein Kalkül gewesen, mit dem Zweck, Yathallar Alezêa zu reizen, zu einer unbedachten Handlung zu bewegen, den Konflikt zwischen ihr und Shry zu verschärfen? Hatte Tenszar gewusst, was passieren würde, wenn Alezêa dieses Collier zu zerstören versucht?
Nun, sie musste auch aufpassen, nicht zu viel hinein zu spekulieren und hinein zu interpretieren. Man konnte sich auch leicht in Verschwörungen verstricken, die es gar nicht gab, eine grundlegende Krankheit der Paranoia, die man sich leicht zulegt in einer Gesellschaft, in der Lug und Trug und Intrigen das tägliche Dasein bestimmten, in der niemand je seine wahren Absichten offenlegt, in der es immer einen Plan im Plan im Plan zu geben scheint, von jedem Akteur. Es war wichtig, sich an die Fakten zu halten, erforderlich die Fakten mit Spekulationen zu Wahrscheinlichkeiten zu formen, aber niemals zu vergessen, was Fakt und was Spekulation ist.
Und nun Yazriina... die die Position der Yathallar anstrebt und das, was von dem Collier nach der Explosion noch übrig war, in ihren Besitz bringen will. Der Edelstein habe zu ihr gesprochen, zu ihr gerufen, hatte sie gesagt, gewollt, dass sie ihn nimmt. War es am Ende ein verfluchter Gegenstand gewesen, der allen einflüstert, dass er ihnen gehören muss? Und Alezêa hatte diese erkannt und deshalb zerstören wollen? Oder war sie zornig gewesen, weil es alle rief, nur nicht sie, obwohl sie doch die Yathallar war? Auch wieder Spekulation. Sie sollte vielleicht noch einmal mit Shry sprechen.
Und natürlich... mit Tenszar selbst. Von Kiana und Filrean hatte sie erfahren, dass er einen Empfang gibt. Sogar ein recht großer Empfang, wie Kiana meinte, mit über 60 Gästen. Nun, für Städte wie Eryndlyn oder Menzoberranzan war das nicht groß. Aber für diesen Ort durchaus. Ob es etwas zu tun haben mochte mit den Pilzweinexporten oder ging es um mehr? Sollte sie versuchen, sich eine Einladung zu verschaffen? Oder persönlich bei Tenszar vorstellig werden? Nun, vielleicht sollte sie zuerst noch einmal mit Shry reden.
Und... vielleicht auch mit Alezêa? An einem gläubigeren Ort hätte man aus der Haut einer toten Priesterin einen Umhang und Handschuhe für die nächste Priesterin gemacht, aus Fleisch und Knochen besondere Opferschalen, Czak'ls genannt, angefertigt und den Rest feierlich in Säure aufgelöst. Aber an diesem lolthverlassenen Ort hat man sie vielleicht einfach in irgendwelche Gruben geworfen und den Maden überlassen (falls die großen Maden die Barrighym zerstört hatten, sie nicht ohnehin verschlungen hatten). Vielleicht war ja noch genug Mund von ihrer Leiche übrig, um ein paar Antworten zu erhalten.
So war ihr nächster Schritt, sich ganz offen danach zu erkundigen, ob denn jemand weiß, was damals mit Alezêas Leichnam passiert ist. Natürlich wird sie ihre Anfrage mit einigen Münzen unterstreichen und falls jemand fragt, auch versichern, dass sie gewiss nicht vorhabe, die ehemalige Yathallar ins Leben zurückzuholen. Immerhin scheint sie ja nicht sehr... beliebt gewesen zu sein.
>>Vor etwa einem Monat<<
Die versklavten Goblins folgten der Yathrin Mayiira'myrace, begleitet von leisen Zischen und Keifen in ihrer Sprache durch den Tunnel bis zu einem bestimmten Bereich, wo sie auf ihren Befehl hin zu graben und den Boden zu ebnen zu begannen. Ein ebenfalls versklavter Duergar überwachte sie dabei, diese einfacheren Arbeiten bei dem obskuren Vorhaben der Yathrin zu Beginn konnte man den einfacheren Sklaven überlassen, doch in Bälde würden weitere Duergar kommen, sowohl Sklaven als auch angeheuerte Handwerker und noch einige Menschen.
Die Yathrin selbst kümmerte sich nicht weiter um die Details dieser Tätigkeit, sie schritt mit ihrem Höllenhund die Tunnel entlang um immer wieder sicherzustellen, dass der Arbeitslärm nichts anlockte und es somit keine nennenswerteren Störungen gab. Der Transport des Materials erfolgte binnen weniger Stunden und so konnte die Arbeit planmäßig ausgeführt werden. Nur ab und an musste Mayirra'myrace tätig werden und die eine oder andere neugierige Kreatur erschlagen, die sich dem Bereich näherte.
So schien nichts dem Vorhaben der Yathrin im Weg zu stehen... ein Vorhaben, das man im Grunde bezeichnen konnte als... die Einrichtung einer Art.. provisorischem... Spa an einem abgelegenen Ort, einige Kilometer entfernt vom Handelsposten. Zumindest wurde hier ein wenig Wasser aus einem kleinen Fluss abgezweigt und es wurden Öfen eingerichtet, um es zu erhitzen, eine Art... sehr kleines Badehaus.
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>>Heute<<
Einen Monat etwa ist es nun her, dass die Yathrin Mayiira'myrace, nach einem kurzen Besuch bei der bekannterweise etwas... durchgeknallten Azreta von deren Wahnsinn angesteckt worden zu sein schien. Nicht, dass jemals jemand offen den Verstand einer Yathrin anzweifeln würde, selbst im liberalen Barrighym zog man es vor, dergleichen zu vermeiden, aber Gerede mag es schon geben.
In ihren Predigten warb die Yathrin nach jungen Sargtlin und Zahanzon für einen Kampf gegen einen noch nicht näher benannten Feind der Spinnenkönigin, der da kommen möge, sie trieb Sklaven aus und ließ ein paar provisorische Badehäuser in der Umgebung errichten, die aber außer ihr niemand benutzen durfte und wenn man dem leisen Getuschel einiger Hausmitglieder lauschen will, verbrachte sie selbst auffallend viel Zeit im Badebereich des Hauses Avithoul, den man nach ihrer Nutzung erst einmal auslüften lassen musste, weil sie das Wasser so stark erhitzen ließ, dass der Dampf den gesamten Bereich ausfüllte.
In jüngster Zeit begann sie schließlich damit, Späher zu entsenden, die bestimmte Bereiche im Westen des Handelsposten erkunden und ihr Auffälligkeiten melden sollen. Auch begab sie sich selbst häufiger in die westlichen Bereiche, immer in Begleitung ihres Höllenhundes.