Ein Schreiben erreicht das Gericht. Agatha hat es entgegen ihrer sonstigen Angewohnheiten recht sachlich gehalten und auf bunte Farben oder Zeichnungen verzichtet. Gut, das hat sie eigentlich nicht. Ihr ursprünglicher Text hatte schon ein eher seltsames Schriftbild. Doch da sie danach einfach nur die Buchstaben, dieses Mal auch ohne die üblichen verträumten Schnörkeleien, einfach abgeschrieben hatte, wirkte das Ganze nun schon recht akkurat und professionell.
Sehr geehrter Herr Gerichtsdiener Kaspar Terft,
ich nehme Bezug auf die veröffentlichen Aushänge, in denen nach Schöffen für das Verfahren gegen Sevinus Holt gesucht wird und erkläre hiermit meine Bewerbung.
Mein Name ist Agatha Uldenschlund. Ich bin eine fünfzig Jahre alte Halbmondelfe und seit etwas mehr als einem Jahr Bürgerin von Lisfar. Meine Profession ist die einer Forscherin, Arkanen Gelehrten und Magiewirkerin, derzeitig tätig im Turm der Lehren. Meine Anschrift ist das Kräutergässchen 2 im Hafen, zwischen dem Glückstreffer und dem Waisenhaus.
Ich bewerbe mich zum einen im Rahmen meiner Bürgerpflicht und zum anderen, da ich eine baldige, aber ebenso gründliche, ausführliche und möglichst lückenlose Aufklärung, Bewertung und Urteilsfindung in dieser Sachlage im Rahmen meiner Möglichkeiten unterstützen möchte. Um auch in diesem Zusammenhang die Vorauswahl nicht unnötig zu erschweren, will ich sogleich zwei Fakten zu meiner Person angeben, die eventuell als Interessenskonflikte wahrgenommen werden könnten.
Und zwar verhält es sich so, dass meine Mentorin im Turm der Lehren, die Hohe Magistra Kor'lyn Winterbiss, mit dem für die Verteidigung zuständigen Advocatus, Renard Morvan, liiert ist, und mich mit beiden sowohl Bekanntschaft als auch Freundschaft verbindet. Auf der anderen Seite besteht die Tatsache, dass Rätin Sarah Morgentau mir vor einem Jahr bei einem schweren gesundheitlichen Leiden geholfen hat und mir kürzlich auch erneut durch ihr diplomatisches Wirken in einem Rechtskonflikt mit Vertretern Athkatlas beistand.
Wenn diese beiden Fakten nun auch als Interessenskonflikte bewertet werden könnten, möchte ich dazu anführen, dass das Gegenteil der Fall ist, sondern mich beide Dinge zusammen eher darin bestärken, dass es sehr wichtig ist, hier zu einer vollständigen Aufklärung und einer gerechten Beurteilung zu finden.
Denn zum einen möchte ich nicht, dass ein Diener der Stadtgarde, der einen sehr schweren Fehler begangen hat, aber dessen Motive womöglich nur in einem durch emotionale Verwicklungen getätigten falschen Schluss lagen, schwerer bestraft wird, als es der Ordnung und der Gerechtigkeit dienlich ist. Zum anderen ist mir jedoch ebenfalls daran gelegen, dass falls seiner Handlung wirklich eine Bösartigkeit zu Grunde lag, die sowohl zum Schaden der Institution der Stadtgarde als auch gegen meine Wahlheimat Lisfar und den Rat gerichtet ist, jene Tat mit entsprechender Härte geahndet wird.
Emotionsfrei bin ich in dieser ganzen Angelegenheit selbstverständlich nicht, aber ich denke, dass dies bei jener Angelegenheit auf kaum einen Bürger zutreffen mag. Doch meine aus meinen wissenschaftlichen Professionen erlernten Fähigkeiten ermöglichen mir, meiner Beurteilung nach, eine sachliche, nüchterne und objektive Bewertung von Fakten und Beweisführung, ohne diese von Emotionen oder Wünschen beeinflussen zu lassen. Ich denke also, dass ich hier einen sinnvollen Beitrag leisten kann.
Hochachtungsvoll
Agatha Uldenschlund
"Ich will dir die Wahrheit sagen. Ihr Menschen habt gar keine Angst vor dem Teufel. Ihr hofft und wollt, dass es ihn gibt. Denn gäbe es ihn nicht, dann... wäret ihr ganz alleine selbst für all das hier verantwortlich? Kriege, Morde, Vergewaltigungen. Das wäret dann alles ihr selbst, nicht wahr? Ihr wollt einen Bösewicht, weil dann alles ganz einfach ist. Töte den Bösewicht, vernichte das Böse. Wäre es nicht schön, wenn es einen Meisterplan gäbe? Wenn alles Schlechte auf der Welt irgendeinem Algorithmus folgt, wenn es Teil eines Puzzles wäre, das man lösen könnte? Doch was, wenn das gar nicht der Fall ist? Was, wenn viele Menschen nur das tun, was für sie gerade besser ist, ohne auf die Konsequenzen zu achten? Was, wenn viele Menschen die unter dem Egoismus anderer leiden, irgendwann irgendein Ventil suchen, Fanatismus, Rassismus, Amoklauf? Was, wenn viele Menschen überzeugt sind, das Richtige zu tun und alle, die etwas anderes tun, als Diener des Bösen brandmarken? Dann hätten wir einen kollektiven Wahnsinn, ein Karussell der Gewalt, das sich unaufhörlich dreht und völlig willkürlich alles zerfetzt, nicht wahr? Ihr braucht keinen Teufel. Ihr seid euer eigener."
Ein schmuckloser aber ordentlicher Brief würde das Gericht erreichen.
"
Ehrenwerter Gerichtsdiener Kaspar Terft,
ich nehme Bezug auf die veröffentlichen Aushänge, in denen nach Schöffen für das Verfahren gegen Sevinus Holt gesucht wird und erkläre hiermit meine Bewerbung als Schöffin.
Mein Name ist Leyana, ich diente ehemalig als Leutnant innerhalb der Garde und bin Bürgerin der Stadt. Ich lebe außerhalb der Stadtmauern in einem Turm, nahe der Höfe südwestlich der Stadt am Waldrand. Als Priesterin Angharradhs, stehe ich in Kontakt zu den Bauern, segne die Ernten oder sorge für das Seelenheit bedürftiger Seelen. Zu Zeiten der Unruhe überwache ich die Gefilde und sorge für die Sicherheit des nahen Waldrandes oder der Stadt. Nachrichten können für mich einfach beim Talländer abgegeben werden oder direkt beim Turm, ich werde diese regelmäßig abholen.
Mein Gold verdiene ich mit Spenden, Abenteuern, ich baue allerdings auch Wein an und handle als Winzerin mit Essig und anderen Waren.
Als Elfe verfolge ich das Geschehen geduldig und ohne Eile, ich kannte Gardisten Pfrund aus den alten Tagen und Bedaure seinen Tod auf dem Schlachtfeld. Demnach ist es mein Wunsch der Wahrheit zu dienen und ein Urteil darüber zu bilden, was geschehen sein könnte.
Hochachtungsvoll
Leyana aus dem Hause Auvri'rahel
"
Der Brief wäre gesiegelt mit Wachs und einem natürlich unnötig geschmücktem Zeichen vieler Bäume mit einem Turm davor und vielen kleinen Weinreben. Elfen....